Obwohl schon einige Zeit verstrichen ist, möchte ich doch noch von einem meiner liebsten polnischen Feiertage sprechen. Allerheiligen (Wszyskich Świętych). Am 1. November wird er gefeiert und ehrt die Verstorbenen. Ganz Polen scheint auf den Beinen oder auf den Straßen zu sein, um die Gräber der nahen Verwandten zu besuchen, die größeren Städte richten Sonderbuslinien ein und regelmäßig wird in den Verkehrsnachrichten über verstopfte oder wieder freie Straßen berichtet.
Die Friedhöfe sind so stark besucht wie nie, vor dem Eingangstor kann der eilende Reisende noch Grabkerzen in allen Formen und Größen und Blumen für die Gräber erwerben, die er dann den Toten mitbringt. Auch die lebende Verwandtschaft besucht einander, man isst und trinkt gemeinsam und unterhält sich nicht selten auch über die kürzlich Verstorbenen, die somit immer noch irgendwie anwesend sind. Oft besucht man den Friedhof zweimal, früh zur Messe und abends, um den erleuchteten Friedhof zu bewundern.
Ein Grab mit nur einer einzelnen Kerze findet man selten, ein ganzes Kerzenmeer ist Standard, möglichst viele unterschiedliche Kerzen drücken die Liebe und das Andenken der Hinterbliebenen aus. Ein weniger geschmücktes Grab als der Nachbar will man natürlich auch nicht haben.
Dieser tief in der polnischen Kultur verankerte Tradition lässt in dem hektischen Alltag innehalten und den sonst nach vorn gerichteten Blick rückwärts wenden, zu dem was war und zu denen die waren. Der Tod, die Vergänglichkeit und somit auch die Verletzlichkeit des Lebens werden zu einem bewussten Teil des gesellschaftlichen Lebens. Ob dieses Memento mori tiefere Auswirkungen auf die polnischen Alltag hat und nicht nur zu einer leeren Geste verkommen ist, mag ich nicht zu beantworten, schön ist es allemal.
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